Städtische Gasanstalt
Lindenallee 34, 16303 Schwedt/Oder
Von der 1865 errichteten Gasanstalt sind nur das Gebäude Lindenallee 34 (Wohn- und Verwaltungsgebäude) sowie ein Nebengebäude (Werksgebäude, später Warmbadeanstalt) geblieben. Auf dem Gelände befindet sich das Lindenquartier der Wohnungsbaugenossenschaft Schwedt/Oder eG mit dem „Haus der Familie“ (Lindenallee 34) und einer 24-Stunden-Kindertagesstätte in dem Nebengebäude.
Städtische Gasanstalt
Am 17. März 1865 wurde unter Leitung des Baumeister W. Kornhardt aus Stettin mit den Bauarbeiten begonnen. Am 29. September desselben Jahres konnte die neue Gasanstalt eröffnet werden. Es war eines der ersten Gaswerke der Mark Brandenburg. 1894/95 wurden 197 000 Kubikmeter Gas in der Anstalt produziert. Das hergestellte Gas wurde zum Betrieb von 178 Laternen in der Stadt verwendet. Gasmotoren in mehreren Schwedter Gewerbebetrieben sowie auch einige private Haushalte wurden von der Gasanstalt versorgt. Bis 1940 wurden die Ofenanlagen erweitert. In den Jahren 1955 bis 1960 betrug die Produktion etwa 3200 bis 3400 Kubikmeter pro Tag. 1962 wurde an der Grünfläche Stengerhain ein weiterer Gasometer mit Gasregelstation errichtet, der 1983 wieder zurückgebaut wurde. Bis 2005 waren letzte Teile der Anlage sowie das Fundament des Gasometers abgerissen. Das Gaswerk war bis 1965 in Betrieb.
Als Standort für die Gasanstalt hatte man den so genannten Lerchenkampen gewählt, ein Areal, das in Verlängerung der Schloßfreiheit vor dem Augustiner Tor lag und auf dem sich in der Folgezeit, auch wegen des in der Nähe befindlichen Bahnhofs, ein eigenen Quartier mit Wohn- und Gewerbenutzung herausbildete. Nach den erheblichen Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges wurde dieser Bereich fast gänzlich neu bebaut. Die beiden erhalten gebliebenen Gebäude der ehemaligen Gasanstalt gehören zu den wenigen letzten Zeugen der Bebauung aus dem 19. Jahrhundert.
Verwaltungs- und Wohngebäude (Lindenallee 34)
Bei dem ehemaligen Verwaltungs- und Wohngebäude des Gaswerkes handelt es sich um einen gelben Sichtziegelbau, der aus zwei nicht zeitgleich entstandenen Teilen besteht. Der linke, traufständige, nur eingeschossig ausgeführte Hausteil, der von einem flachen Satteldach abgeschlossen wird, ist älter. Er entstand sehr wahrscheinlich 1865 mit der Erstanlage der Gasanstalt und diente dem Werksmeister als Dienst- und Wohnsitz. Vermutlich noch vor 1890 wurde das Gebäude nach rechts durch einen giebelständig angeordneten zweigeschossigem Anbau mit eigenem Satteldach beträchtlich vergrößert. Dass es sich dabei um eine Erweiterung handelt, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Denn beide Gebäudeteile zeigen außer dem gleichen Baumaterial auch eine sehr ähnliche Fassadengestaltung. Bestimmend für deren Gliederung sind hier wie dort hochrechteckige Fensteröffnungen mit stegartigen Verdachungen sowie schlichte Gesimse und Ziegelfriese. An den Giebeln befinden sich jeweils einfache Treppenfriese. Die Giebelfassaden des stattlicheren Anbaus werden zusätzlich durch Ecklisenen mit anschließenden türmchenartigen Bekrönungen akzentuiert. Auf die unterschiedliche Entstehungszeit beider Gebäudeteile verweist das Fugenbild, das nur im älteren Teil jene eher für die Zeit vor 1870 typische rote Einfärbung zeigt.
Die Fenster wurden im Verlauf des 20. Jahrhunderts am gesamten Gebäude erneuert. Noch aus der Erweiterungsphase stammt hingegen die zweiflügelige Eingangstür an der freistehenden Traufseite des Anbaus.
Warmbadeanstalt
Das kleinere, nur wenige Meter rechts platzierte Werksgebäude entstand mit der Werkserweiterung. Es diente ursprünglich als Kompressorenhaus. Ausgeführt wurde es in Anpassung an die schon vorhandenen Produktionsgebäude. Als roter Sichtziegelbau mit flach geneigtem, überkragenden Satteldach. Die Fassaden werden in einfachen Formen durch hochrechteckige Fenster mit Verdachungen sowie durch Lisenen und bandartige Gesimse gegliedert. Das Innere des Gebäudes wurde 1909 zur Städtischen Warmbadeanstalt umgenutzt. Es umfasste 6 Wannenbäder und 4 Brausebäder sowie einen Warteraum und ein kleines Büro für den Badewärter. Die Warmbadeanstalt wurde noch in den ersten Aufbaujahren der Stadt Schwedt/Oder von Familien genutzt, die in Wohnunterkünften wohnten.
Lindenquartier
Das Wohn- und Verwaltungshaus sowie das Werksgebäude wurden durch die Wohnungsbaugenossenschaft Schwedt eG innerhalb des Geländeausbaus des einstigen Schwedter Gaswerks zum Lindenquartier saniert. Dabei wurden die Backsteinfassaden gereinigt, kaputte Steine mit Originalsteinen ersetzt und die Fassade sämtlich neu verfugt. Nach historischem Vorbild wurden die Holzfenster speziell angefertigt
Erhalten blieb eine schwere Holztür des Wohn- und Verwaltungshauses. Sie wurde aufbereitet am Giebeleingang des ehemaligen Werksgebäudes, dem heutigen Sitz einer 24-Stunden-Kindertagesstätte, verwendet. Das ehemalige Wohn- und Verwaltungshaus beherbergt heute das „Haus der Familie“. Dort haben unter anderem die Volkssolidarität mit der Freiwilligenagentur und die Familienserviceagentur „fam.e“ ihren Sitz.
Das Lindenquartier entstand 2009 bis 2012 auf dem Gelände der ehemaligen Gasanstalt und des ehemaligen Krankenhauses und beherbergt fünf Stadtvillen sowie zwei Wohn- und Geschäftshäuser. Auf einer Fläche von 9.000 m² befinden sich 51 Wohneinheiten, 1.800 m² Gewerbefläche, eine Tiefgarage mit 35 Stellplätzen sowie ein Parkdeck mit 36 Stellplätzen.