Stadtmauer
In der Gerberstraße und in der Louis-Harlan-Straße (parallel zur Gartenstraße) befinden sich die liebevoll sanierten Reste der aus dem 18. Jahrhundert stammenden Stadtmauer. Ursprünglich wurde die Stadt durch einen Palisaden- bzw. Plankenzaun und einem Graben geschützt. Im 14. Jahrhundert dürfte an einigen Stellen auch eine Lehmmauer gesetzt worden sein. Nach neuen Erkenntnissen gab es in Schwedt bereits vor dem 30-jährigen Krieg eine Stadtmauer aus Feldsteinen mit Toren und Wachtürmen, die in der Zeit der Herrschaft der Grafen von Hohenstein (1481–1609) angelegt wurde. Dies beurkundet eine Skizze des Ingenieurs Dahlbert mit den Befestigungen des schwedischen Königs Gustav Adolph in Schwedt aus dem Jahre 1648.
Ein Bericht von 1662 an die kurfürstliche Kammer, geschrieben vom Schwedter Schlosshauptmann von Krummensee als Begründung der Schwierigkeiten, aus der verwüsteten Stadt Kontributionen (Kriegssteuern) einzuziehen, lässt auf den Zustand der alten Stadtmauer nach dem 30-jährigen Krieg schließen. Dort wird von „temolierten Mauern und schadhaften Toren“ gesprochen. Die Tore waren so schadhaft, dass die Bürger nicht mehr sicher ausgehen und einfahren konnten. An Stelle der durch Einsturz gefährdeten Mauer wurden Palisaden gesetzt, die jedoch bald umfielen. Die Stadt stand nach allen Orten offen. Infolge dessen waren „die commercien fast gänzlich in sich zerschlagen und an den Landzollgefällen allzuwenig einkommt, die sich doch in weniger Zeit auf ein Ziemliches betragen haben ...“
Es ist anzunehmen, dass bis zu jenem Zeitpunkt die frühere Stadtmauer architektonisch nicht sehr aufwändig war.
Erst nach Vollendung der Schlossflügel 1733 konnte man sich der notwendigen Erneuerung der Stadtmauer zuwenden. Als Geldgeber für das kostspielige Unternehmen kam nur der Stadtherr in Frage. Die Stadtmauer ist Werk des Markgrafen Friedrich Wilhelm. Die Errichtung der Stadtmauer stand im Kontext der barocken Neuplanung der Stadt. Der Markgraf ließ zunächst eine Reihe von Häusern niederreißen, nicht ohne Widerspruch der Bürgerschaft. 1736 begann der Hofbaumeister Christian Schläffer mit dem Bau der neuen Stadtmauer, die die 1722 errichtete Stadtmauer von Potsdam mit Absicht in der Höhe um das Zweifache (5 m) übertraf.
Die Stadtmauer sollte die gesamte Stadt mit Ausnahme der Oderfront rechtwinklig umgreifen. Das ist in den Ausmaßen von 450 x 600 x 450 Metern auch geschehen. Die Mauer diente in erster Linie nicht der Verteidigung der Stadt, sondern der Verhütung von Desertion stationierter Soldaten sowie der Sicherung der Zollgebühren. Die markgräfliche Kammer begründetet den Neubau der Mauer offiziell den Bürgern gegenüber mit der „regularite der Stadt“, was ebenfalls der Wahrheit entsprach. Hauptsächlich hatte diese Mauer jedoch den Zweck der Repräsentation zu erfüllen. Sie sollte den Anblick eines geschlossenen, klaren und straffgeplanten Stadtbildes vermitteln und damit dem künstlerisch ästhetischen Anspruch der Barockzeit genügen.
Den rechtwinkligen Verlauf der Stadtmauer belegt ein Blick auf den im Zusammenhang mit der barocken Neuplanung der Stadt verfertigten Grundriss, von dem ein Kupferstich (nach einer Vorzeichnung von R. H. Richter im Jahr 1736) Aufschluss gibt, den Andreas Gustav Wolffgang 1741/42 fertigte. Der Grundriss der Stadt ist nahezu quadratisch. Vier Tore mit einfachen Mauerpfeilern traten an die Stelle der älteren: das Berliner Tor, das Vierradener Tor, das Schlosstor und das Brückentor. An fünf Stellen wurden Batterieberge an der Mauer aufgeschüttet und mit je sechs Kanonen bestückt, die jedoch nur als Attrappen dienten. 1790 wurden sie beseitigt. In der Nähe der ehemaligen Synagoge bis zur Fabrikstraße 3 war die Mauer im Abstand von jeweils 1,60 m auf Bögen gesetzt (saniertes Teilstück).
Den Verlauf der Stadtmauer kann man sich wie folgt vorstellen:
Beginn an der Oder bei der Gerberstraße, über die Berliner Straße hinweg in Richtung auf die ehemalige Synagoge, dort vorbei in Richtung Fabrikstraße, vor der Auguststraße rechtwinklige Biegung, dort die Gartenmauer des ehemaligen Pfarrgartens des katholischen Pfarrhauses bildend, das Ende war an der katholischen Kirche. Dazwischen bezog die Mauer einen großen Teil des inzwischen trockengelegten Flinkenpfuhls mit ein.
Danach setzte sie sich zur Vierradener Straße fort, (dieses Stück wurde 1875 abgerissen) und verlief dann im alten „Seilergang“ parallel zur ehemaligen Chausseestraße. Dort, wo die um 1670 neuangelegte Schloßfreiheit sich nach Nordwesten ausdehnt, erhielt die Stadtmauer eine Unterbrechung durch das einhundert Meter breite Eisengitter mit dem Augustiner Tor, wodurch die Schloßfreiheit einen reizvollen Abschluss bekam.
Über den ehemaligen Palisadenweg, der Name könnte ein möglicher Hinweis auf die erste Bewehrungsanlage der Stadt sein, setzte sich die Mauer mit 4 m Höhe fort. Das Schloss- oder Friedrichstor unterbrach die Befestigung, die Stadtmauer ging dann in die Schlossgartenmauer über und erstreckte sich weiter bis zur Oder, wo sie ihren natürlichen Abschluss fand.
Mit Herannahen des 7-jährigen Krieges erging im Juli 1758 ein Befehl an den Markgrafen, den Mauerbau zu beschleunigen. Wiederholt wurde dieser Befehl am 1. August 1758.
Im 19. Jahrhundert nahm sich die Stadt bereits das Recht, über Abbruch und Durchbruch der Mauer zu entscheiden. Mit dem Niedergang des Markgrafengeschlechts 1788 verfiel die Aufsicht über den Zustand der Mauer, auch das Interesse an ihr als gestalterisches und fiskalisches Element ließ nach. Es bestand keine zwingende Notwendigkeit mehr für ihren Erhalt und so wurden bereits 1806 Fenster in die Mauer gebrochen. Bald war das Besitzrecht an der Mauer Gewohnheitsrecht für die Stadt. Ab 1875 blieben die Stadttore auch nachts geöffnet. 1874 wurden die Mahl- und Schlachtsteuern aufgehoben. Damit wurden die Tore überflüssig.
Bis in die Gründerjahre blieb die Stadtmauer trotz Baufälligkeit der gesamten Anlage weiterhin die wesentliche Begrenzung der Stadt. Erst in den Jahren um 1900 erfolgte eine umfangreiche Ausdehnung nördlich der Altstadt.