Burgruinenanlage Vierraden
Am Turm, Ortsteil Vierraden, 16303 Schwedt/Oder
Die untere Welse war, seit dem die Askanier 1230 die südliche Uckermark eingenommen hatten, ein Teil der Grenze zwischen Pommern und Brandenburg. Diese Grenze wurde 1250 in dem so genannten Landiner Vertrag zwischen den brandenburgischen Markgrafen Otto mit dem Pfeil und Konrad und ihren Pommerschen Vettern, den pommerschen Herzögen Barnim II. und Otto I., festgeschrieben. 1303 soll es zwischen Stendell und Vierraden zum Kampf gekommen sein, bei dem die Pommern den Sieg errangen und die Brandenburger zweihundert Mann als Gefangene einbüßten. Hierbei wird eine Burg bei der Vierräder-Mühle noch nicht erwähnt.
Nach dem Aussterben des askanischen Markgrafenhauses kam es 1320 zum Krieg zwischen Mecklenburg und Pommern. Während seines Feldzugs in die Uckermark und nach Stettin eroberte Heinrich von Mecklenburg 1320 die Burg Vierraden. Im Zusammenhang mit dieser Kriegshandlung ist 1321 erstmals eine Burg- oder Schlossanlage Vierraden urkundlich belegbar. Hierin wird den bisherigen pommerschen Herren Beistand zu einer Rückeroberung von ihren Verbündeten zugesagt. Es ist also anzunehmen, dass der Bau der Anlage nach 1303 und vor 1320 erfolgt sein wird. In den folgenden anderthalb Jahrhunderten kamen die pommersch-brandenburgischen Grenzgebiete nicht zur Ruhe.
Die Burg wurde von einem Pommernherzog erbaut und entstand als Schutz der hier verlaufenden Grenze zwischen Brandenburg und Pommern, an der Schnittstelle der Via Regia und der Welse sowie wohl auch zum Schutz der bedeutenden Mühle. Die Via Regia, der so genannte Königsweg, stand als ein überregionaler Verkehrsweg unter dem besonderen Schutz des Landesherrn und des Reiches. Auf Grund ihrer strategisch wichtigen Lage war die Burg Vierraden ein umkämpfter Verteidigungsstützpunkt zunächst meist der Pommern.
Dann folgten häufig wechselnden Besitzverhältnisse zwischen Pommern und Brandenburg. 1468 hatte der brandenburgische Kurfürst Friedrich II., genannt der Eiserne, Vierraden gewonnen und besetzt. Er benötigte immerhin zwei Angriffe. Als landesherrliche Burg erhielt die Burg einen Amtmann. Zuerst war es einer der Getreuen: Claus von Arnim (1469–1471), ab 1471 Hans von Buch, 1473 gefolgt von Kurt von Schlabrendorff, der es eigentlich auf Lebenszeit besitzen sollte. 1477 bestürmte jedoch der pommersche Hauptmann Lindstedt aus Uckermünde die Burg und nahm sie ein. Zur Rückeroberung mobilisierte Kurfürst Albrecht alle verfügbaren Kräfte und arbeitete einen genauen, noch heute erhaltenen Kriegsplan aus.
1478 wird Vierraden endgültig brandenburgisch. Im selben Jahr bestätigt der Prenzlauer Vertrag die Eroberung Vierradens zusammen mit anderen Orten durch Brandenburg nach einem längeren Zeitraum pommerscher Herrschaft. Dieses Dokument zeigt das „Schloß Vierraden“ als einen mit Wasser umflossenen Burgturm, wobei der Wassergraben aus der Welse gespeist wird. Es ist die erste Abbildung der Burg. Auf dieser sind ein hoher Turm, eine ringförmige Mauer mit umlaufendem Wassergraben und ein Gebäude, das als Küche, Back- und Brauhaus diente, zu sehen. 1478 wurde die Burg vom Kurfürsten Albrecht als erbliches Lehen an den Amtmann zu Angermünde, dem Grafen Johann von Hohenstein I. zu Heldrungen und später zu Vierraden, gegeben, angeblich weil er beim Sturm der Burg zuerst die Mauer überstiegen hatte. 1473 gab es auf der Burg Vierraden 10 Geschütze und 13 Hakenbüchsen, eine halbe und eine viertel Tonne Schießpulver und einen Mörser. 1479 betrug die Besatzung des Schlosses noch hundert „Trabanten" (Mann). Im Juni 1479 wurde endlich zwischen Brandenburg und Pommern Frieden geschlossen. Von 1479 bis 1518 war die Vierradener Burg der eigentliche Verwaltungssitz für die ganze Gegend, d. h. auch für Schwedt.
Trotzdem büßte seit dem Gebrauch der Feuerwaffen die Burg Vierraden ihre Bedeutung als strategisches Grenzfort schrittweise ein. Die Grafen von Hohenstein versuchten sie nun nach 1479 weiter für ihre Zwecke als Residenz weiter auszubauen und zu verschönern. Die ursprünglich noch bis 1945 vorhandene Turmbekrönung mag aus dieser Zeit stammen. Graf Johann von Hohenstein erwarb jedoch bereits zwei Jahre später, d. h. 1481, auch Schwedt und verschmolz beide Orte zu einer Herrschaft. Vierraden teilt seit dem, d. h. seit über 500 Jahren, die Geschicke von Schwedt. Schließlich verlegten 1518 – wie bereits erwähnt – die Grafen ihre Residenz nach Schwedt, da offensichtlich der Standort der alten Vierradener Burg in der feuchten Welseniederung zum Ausbau als Renaissance-Wohnschloss nicht geeignet war. In Vierraden verblieb nur ein gräflicher Amtmann auf der Burg. Das so genannte „Rote Vorwerk“ war Sitz eines landwirtschaftlichen Betriebes.
Im Dreißigjährigen Krieg wurden Burg und Ort Vierraden stark zerstört. 1631 schlugen die Schweden nahe Vierraden ein großes Lager auf. Der Überlieferung nach übernachtete Gustav Adolf von Schweden in der Vierradener Burg. Besondere Schäden erhielt die Anlage 1637 von durchziehenden Schweden, vermutlich als Rache für die Hinwendung des Kurfürsten (Georg Wilhelm) zu den Kaiserlichen nach dem Tod König Gustav Adolfs von Schweden.
1681 waren die Keller noch benutzbar, Brauhaus, Speicher und Torhaus noch vorhanden. Im selben Jahr erging die kurfürstliche Anordnung, das Ziegelmaterial der Burg zum Wiederaufbau des durch einen Brand schwer geschädigten Schwedter Schlosses zu verwenden. Dadurch wurde die Anlage fast vollständig ruiniert.
Erst für 1842 sind Sicherungsarbeiten an der Burg Vierraden bekannt. Dieses Datum bestätigt sich durch den Fund eines Ziegel in einer Öffnungsnische des obersten Turmabschnitts. Er trägt die Ritzung 1841, was vielleicht für den Beginn der Arbeiten steht. Die eingestürzte Turmkuppel wurde wieder hergestellt. 1843 erhielt die Stadt Vierraden die Genehmigung, auf eigene Kosten eine Öffnung in eine vorhandene ebenerdige Nische als Turmeingang zu brechen und so mittels Leitern eine Turmbesteigung zu ermöglichen.
1877 wurde der Stadt Vierraden von der königlichen Hofkammer die Ruine mit Turm und so genanntem Schlossplatz zum Kauf angeboten mit der Verpflichtung zum Unterhalt. Dieses Angebot musste die Stadt aus finanziellen Gründen ablehnen. 1878 erwarb dann der Ackerbürger Julius Kummrow die Ruine des „Schlosses“ und den so genannten Schlossplatz, nicht aber den Turm. Kummrow nutzte die Ruine zum Bau einer Scheune zum Tabaktrocknen.
Am Ende des II. Weltkrieges diente der Turm als Beobachtungsposten der deutschen Wehrmacht. So wurde er wichtiges Ziel der sowjetischen Armee und erhielt seine letzten erheblichen Schäden. 1945 wurde die Turmspitze zerschossen, seit dieser Zeit klafft die große Lücke nach Südosten. Die beiden Soldaten, die Posten bezogen hatten, wurden getötet. Erst im August 1946 konnten die Überreste der Leichen geborgen werden. Sie wurden auf dem Vierradener Friedhof beigesetzt.
1994 bis 1996 wurden Notsicherungsarbeiten am Turm durchgeführt.
Die Burg bestand neben dem Turm aus einem quadratischen Hof und einem rechteckigen Haus. Der von der Burgmauer umfasste Raum betrug 29 Meter x 26 Meter (754 Quadratmeter). Die Turmhöhe beträgtheute 27,20 Meter, die Mauerstärke des Turmes ca. 2,00 Meter, der äußere Durchmesser ca. 6,00 Meter. Der Eingang befand sich in der Höhe von 16 bis 18 Metern, was speziell auf den Verteidigungscharakter der Anlage hinweist. Der Eingang führte offenbar vom Wehrgang der Ringmauer in den Turm (nach Aussage von Herrn Griep über die anderen Gebäude). Der Turm ist vom Fundament an ursprünglich rund. Die eckige Backsteinverkleidung ist erst später herum gebaut worden. Die drangvolle Enge im Innern machte den Turm als Bergfried eigentlich untauglich. Den Abschluss des Turmes bildete ein vorkragendes, wasserabführendes Gesimsband. Darauf befand sich ein schlankerer Turm. Dieser war kuppelförmig abgeschlossen. Von der Ringmauer und den übrigen Gebäuden der Burg sind nur noch Reste vorhanden, die teilweise in die neuere Bebauung einbezogen sind.