Ein Uckermärker in Paris (Archiv)
Der ehemalige Direktor des DDR-Kulturzentrums in Frankreichs Hauptstadt (1987-1990) berichtet
Das nächste Thema der Vortragsreihe „Treffpunkt Pavillon!“ am 12. Juni beschäftigt sich mit einem Bereich aus der späten DDR-Geschichte. Der Vortrag leitet in das Thema „Wende 1989/90“ ein, das in diesem Jahr sein 30. Jubiläum feiert und sich auch in einer Sonderausstellung des Stadtmuseums Schwedt/Oder niederschlägt. Referent ist der aus Joachimsthal stammende und heute in Markkleeberg lebende Dieter Lehmann, der das DDR-Kulturzentrum in Paris leitete.
Der Vortrag stellt einen spannenden Aspekt der DDR-Geschichte in der Darstellung und Repräsentation der DDR im kapitalistischen Ausland dar. Dieter Lehmann war von 1987 an vier Jahre in Paris als Direktor des exponiertesten Kulturzentrums der DDR in der französischen Hauptstadt tätig. Ein Kulturzentrum, welches alles andere als Wunschkind der DDR war, weil sein Pendant, das Centre culturel français in Berlin de facto einer Institutionalisierung des Klassenfeindes in der eigenen Hauptstadt gleichkam.
Dieter Lehmann berichtet, wie er mit den daraus resultierenden Einschränkungen umging und die eigentlich unantastbaren Spielräume erweiterte, dem Veranstaltungsprogramm nach und nach weitere Facetten hinzufügte. Gleichzeitig musste man sich aber auch Regularien unterwerfen.
Sein erster Tabubruch fand bereits einen Monat nach seiner Ankunft in Paris statt. Lehmann ließ im Kulturzentrum zusammen mit der berühmten Chansonnière Gisela May einen Franzosen auftreten. Einen Franzosen im Pariser DDR-Kulturzentrum auftreten zu lassen, war eigentlich ein Tabu! Monsieur Norbert Glanzberg, 1933 von Würzburg aus nach Paris ins Exil gegangen, begleitete Gisela May am Flügel, die seine Lieder über jüdische Schicksale in der Nazizeit uraufführte.
1988 trat erstmals ein Kabarett der DDR im Kulturzentrum auf: „Die Distel“ aus Berlin. Lehmann ließ ins Programm schreiben: „Das Berliner Kabarett Die Distel präsentiert mit einem politisch-satirischen Spektakel „das neue Denken im Sozialismus“. Wochen zuvor war in der DDR die beliebte sowjetische Zeitschrift „Sputnik“ verboten worden.
Interessant ist auch die Zeit nach dem 9. November 1989 bis hin zum Herbst 1990, die wohl aufregendste Phase des Kulturzentrums. In der letzten Veranstaltung am 1. Oktober 1990 traten die Liedermacher Steffen Mensching und Hans-Eckhardt Wenzel auf. Ihr Programm: „Allerletztes aus der Da Da eR. Clowneskes Endspiel aus einem verjubelten Teil Deutschlands“ bildete den kulturellen Abschluss dieser Ära.
Berlischky-Pavillon, 12. Juni 2019, 18 Uhr